Das Ruhrstadion entsteht (1972 bis 1979)

Mitte der 1970er-Jahre, da war die Fußballwelt in Deutschland noch in bester Ordnung: Nach der gewonnenen Weltmeisterschaft 1974 schwelgte das ganze Land im Ballfieber. Brandneue Stadien mit guter Infrastruktur versprachen darüber hinaus einen neuen Boom für die Bundesliga.
Im Ruhrgebiet profitierten Schalke 04 und Borussia Dortmund von der WM. Mit erheblichen Zuschüssen von Land und Bund hatten die beiden Revierteams neue Fußballarenen erhalten – so wurde in Dortmund für 32,7 Mio. DM das Westfalenstadion errichtet, obwohl die dortige Borussia seit 1972 nur noch in der zweitklassigen Regionalliga kickte.
Unser VfL ging dagegen, obwohl schon ein Jahr zuvor in die Bundesliga aufgestiegen, leer aus. Dabei war den Verantwortlichen im Verein schon lange klar geworden, dass das alte „Stadion an der Castroper Straße“ mit seinen 2.700 Sitzplätzen (davon sogar 1.400 nicht überdacht) längst nicht mehr den Anforderungen des Profifußballs gewachsen war. Denn während der VfL im Jahr 1974 im Durchschnitt pro Eintrittskarte gut fünf D-Mark einnahm, kassierten die Nachbarn westlich und östlich der B1 bereits mehr als Doppelte.

Diesen Wettbewerbsnachteil galt es schnell aufzuholen, um das zarte Pflänzchen Bundesliga in Bochum nicht allzu schnell wieder eingehen zu lassen. Präsident Ottokar Wüst engagierte sich auf allen Ebenen, um auch in Bochum „mit einem neuen Stadion eine neue Mannschaft“ bauen zu können.
Ein weiteres teures Neubauprojekt wie in Gelsenkirchen oder Dortmund war jedoch kurz nach der Weltmeisterschaft politisch nicht durchsetzbar – und so kam man auf die Kompromissidee, dem VfL scheibchenweise ein neues Stadion zu bauen: Über vier Bauphasen und mehr als drei Jahre gestreckt verwandelte sich das alte Stadion an der Castroper Straße langsam in das moderne Ruhrstadion. Tribüne für Tribüne kam der VfL so seinem ersehnten Stadion immer näher. Den Namen für die Spielstätte hatte man sich übrigens bereits 1972 gesichert, als die Oberen in Gelsenkirchen auf die Idee kamen, das künftige WM-Stadion des FC Schalke 04 könne doch „Ruhrstadion“ heißen. So bekam der VfL seine Kult-Spielstätte mit Kult-Namen, den Schalkern blieb nur der Umzug ins „Parkstadion“.

In der Realität war der Neu- bzw. Umbau jedoch erstmal mit großen Schwierigkeiten verbunden: Mehr als drei Spielzeiten kickte der VfL auf einer Baustelle, im Frühjahr 1976 war das Ruhrstadion während der Bauphase der Südtribüne sogar komplett unbespielbar – und der VfL mitten im Abstiegskampf zum Umzug in ein anderes Stadion gezwungen. Dem Verein flatterten u.a. Angebote aus Wattenscheid und Schalke auf den Tisch, das Rennen machte letztlich das „Stadion am Schloss Strünkede“ in Herne. Nur elf Kilometer nördlich der Castroper Straße brachte die Arena des Rivalen Westfalia die idealen Voraussetzungen für den VfL mit.
Dennoch hielten die meisten Experten Bochums Abstieg nach dem Verlust des Heimvorteils für besiegelt. Dabei hatten sie die Rechnung jedoch ohne die Bochumer Fans gemacht: zig Tausende pilgerten zu jedem der sechs „Heimspiele“ per Pendelbus, Straßenbahn oder eigenem Auto gen Norden und verwandelten das Schloss Strünkede in eine blau-weiße Festung. Am Ende konnte der VfL fünf seiner sechs Spiele in Herne gewinnen und nach dem 4:2-Sieg gegen den Karlsruher SC den erneuten Klassenerhalt feiern.

Weniger erfolgreich war hingegen ein „Heimspiel“ besonderer Art. Denn das erste Bundesligaspiel, das je im Dortmunder Westfalenstadion gespielt wurde, fand ohne schwarz-gelbe Beteiligung statt. Es trafen nämlich der VfL und die königsblauen Knappen aus der nordwestlichen Nachbarstadt aufeinander. Aus Platzgründen hatte der VfL die Partie gegen Schalke ins (im Vergleich zu Herne) größere Westfalenstadion verlegt. Zwar rechtfertigten 45.000 Zuschauer diese Entscheidung aus finanzieller Hinsicht, sportlich ging die Partie mit 1:4 jedoch gründlich daneben.
Der VfL zog seine Lehre und ließ den Umzug in die Nachbarstadt bis heute als einmalige Fußnote in der Vereinsgeschichte stehen. Wenig später hatte sich das Problem eh erledigt, denn im Sommer 1979 hatte der VfL endlich sein eigenes „Schmuckkästchen“: Mit einem großen Fest wurde am 21. Juli 1979 das nun komplett fertige Ruhrstadion offiziell eingeweiht. Für Bochum begann eine neue Ära.